Auf der Suche nach der Moral

Der Beitrag von Gerald Hüther im Überblick

Würde
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Was hält eine Gesellschaft im Innersten zusammen? Diese Frage stellt sich Gerald Hüther in seinem Beitrag zum Kapitel „Das Lernen neu Lernen“. Der bekannte Neurobiologe und emeritierte Professor der Universität Göttingen möchte wissen, welche Regeln und Gesetze, welche Ethik und Moral das gesellschaftliche Zusammenleben bestimmen. Denn wir Menschen benötigen die Gemeinschaft: „Wir sind zutiefst soziale Wesen und brauchen die verlässliche Gemeinschaft mit anderen, um die in uns angelegten Potenziale entfalten zu können.“

Hüther widmet sich deshalb zunächst dem Thema Religion, denn schließlich haben Religionen über Jahrhunderte moralische und oft sogar gesetzliche Maßstäbe gesetzt, die das Zusammenleben in der Gesellschaft bestimmt haben. In der heutigen Zeit werden religiöse Grundsätze hingegen von vielen Menschen in Frage gestellt, und in einem Land wie Deutschland genügt die Religion nur noch sehr bedingt dazu, das gesellschaftliche Leben in geordnete Bahnen zu lenken. Wir leben in einer „globalisierten, digitalisierten und rund um den Globus vernetzten Welt“, bringt es Hüther auf den Punkt. Er sucht deshalb nach Alternativen zur Religion und kommt so zur Ethik.

Wir sind zutiefst soziale Wesen und brauchen die Gemeinschaft, um unsere Potenziale entfalten zu können.

„Der Dalai Lama hat unlängst vorgeschlagen, der Ethik einen höheren Stellenwert einzuräumen als der Religion“, schreibt Hüther. Doch ethische Werte hängen immer sehr stark davon ab, wer sie aufgestellt hat. Zumeist von der Mehrheit in einer Gemeinschaft. So kommt es, dass ethische Werte in unterschiedlichen Kulturkreisen ganz unterschiedlich betrachtet werden.

Hinzu kommt, dass auch die hierarchischen Strukturen in der Familie, am Arbeitsplatz oder im Staat, die jahrhundertelang gewisse Grenzen gesetzt haben, in der Gegenwart nicht mehr maßgebend sind. Wo früher der Familienvater alleine Entscheidungen traf, herrscht heute Gleichberechtigung. Wo früher der Firmenpatriarch die Richtung vorgegeben hat, herrscht jetzt Brainstorming und Mitbestimmung. Wo früher Ludwig XIV. gesagt hat „Der Staat bin ich“, stimmen jetzt Millionen Menschen in einer Demokratie ab. Das macht die Welt glücklicherweise gerechter – aber auch komplizierter und unübersichtlicher. „Deshalb gibt es jetzt so viele verunsicherte Bürger, die sich eine Wiederherstellung der alten, verloren gegangenen hierarchischen Ordnung wünschen“, schlussfolgert Hüther.

Was also kann unser harmonisches Zusammenleben in einer Gesellschaft besser gewährleisten? „Es ist die Vorstellung seiner eigenen Würde, die es jedem ermöglicht, sich selbst als soziales Wesen zu bekennen“, sagt Hüther. Die Würde gibt jedem Mitglied einer Gesellschaft die Fähigkeit, die individuellen Fähigkeiten zu entfalten und einzubringen. Gleich einem inneren Kompass steuert sie uns durch die Gestaltung unseres Zusammenlebens.

Wie wir konkret mit unserem Würde-Kompass unser Zusammenleben erfolgreich gestalten, erläutert er ausführlich in seinem Beitrag „Was eine Gesellschaft im Innersten zusammenhält“ in dem Buch „Weiter. Denken. Ordnen. Gestalten“.

Es ist die Vorstellung seiner eigenen Würde, die es jedem ermöglicht, sich selbst als soziales Wesen zu bekennen.
Gerald Hüther
Gerald Hüther

Gerald Hüther ist ein deutscher Neurobiologe und emeritierter Professor der Universität Göttingen. Er zählt zu den bekanntesten Hirnforschern, hat mehrere Bestseller geschrieben und die Akademie für Potentialentfaltung mitgegründet.

Gerald Hüther