Wie Wohlstand gerecht und nachhaltig entsteht

Der Beitrag von Martin Stuchtey und Ronja Wolf

Stuchtey
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Ein Wegwerf-Kaffeebecherdeckel aus Plastik ist für Martin Stuchtey ein prägnantes Beispiel dafür, woran unsere Wirtschaft und Gesellschaft derzeit krankt: „Heute gestalten und produzieren wir einen Kaffeebecherdeckel so, dass er nach nur fünf Minuten in Nutzung auch in 500 Jahren noch in der Biosphäre erhalten bleibt – ohne irgendeinen weiteren Nutzen zu entfalten“, kritisiert der Professor für Nachhaltiges Ressourcenmanagement an der Universität Innsbruck und Gründer des Unternehmens SYSTEMIQ, welches Unternehmen und Politiker berät.

Wie lässt sich gerechter, nachhaltiger Wohlstand erzeugen? In unserem ressourcenintensiven Modell wachsen wir uns nicht nur arm, sondern auch auseinander.

Der Deckel bereitet, einmal in den Müll geworfen, nicht nur keinen Nutzen mehr, sondern verursacht sogar Kosten. Zuvorderst als Mikro-Plastikstücke in unserer Nahrungskette. Für Martin Stuchtey ist der Plastikbecher die Folge eines pars pro toto ungesunden Wachstums, das einst auf einem linearen Anstieg der Wirtschaftsleistung von Jahr zu Jahr angelegt war und mittlerweile auf Kosten der Menschheit und der Umwelt geht: „Das System war lange blind für die ökologischen Grenzen des Wachstums – auch weil die Ressourcen unendlich schienen.“ Was in den 1960ern und 1970ern zu Wirtschaftswunder-Zeiten funktioniert hat, ist heute zu viel für unsere Erde. Unser Planet kollabiert unter der Last des ressourcenintensiven Wachstums der reicheren Länder und unter dem Bevölkerungswachstum vor allem in Asien und Afrika. Stuchtey bringt es auf den Punkt: „Wir wachsen uns arm!“

Statt linearem Wachstum sieht er die Lösung in einer Kreislaufwirtschaft nach dem Vorbild der Natur: regenerativ, zirkular und resilient. Neue Produkte sollen sich zum Beispiel leicht reparieren und nach ihrem Gebrauch einfach in ihre Rohstoffe zurückführen lassen. Bewohner sollen für die Rückgabe mit Pfand- und Prämien-Systemen belohnt werden. Eine CO2-Steuer könnte demgegenüber einen ressourcenintensiven Konsum und umweltschädliche Formen des Reisens wie zum Beispiel Kurzstreckenflüge unattraktiv machen.

Wie Deutschland dieses nachhaltige Wachstum konkret umsetzen könnte, lesen Sie in voller Länge im Buch Weiter. Denken. Ordnen. Gestalten, das im September erschienen ist.

Foto: istock, dosrayitas

Das System war lange blind für die ökologischen Grenzen des Wachstums – auch weil die Ressourcen unendlich schienen.
Martin R. Stuchtey
Martin Stuchtey

Martin R. Stuchtey ist Professor für Nachhaltiges Ressourcenmanagement an der Universität Innsbruck und Gründer des Unternehmens SYSTEMIQ. Er will industrielle Wertschöpfungssysteme nach dem Vorbild der Natur gestalten. Regenerativ, zirkular, resilient.

Martin R. Stuchtey