Aus asiatischer Sicht ist die Geschichte nicht beendet, sondern zurückgekehrt.
Für Khanna ist Asien eine Region, die sich von ihren ehemaligen europäischen Kolonialmächten erfolgreich emanzipiert hat. Asien verfügt über mehrere der größten Volkswirtschaften der Welt, über die meisten Devisenreserven, viele der größten Banken, Industrie- und Technologieunternehmen sowie über einige der größten Armeen. Das heutige Asien schließt also an die alte Größe Asiens an, als das Kaiserreich China vor mehr als tausend Jahren die militärische und politische Großmacht war, die bis nach Europa kulturell wirkte.
Mit dem heutigen Asien meint Khanna die gesamte Region von der Arabischen Halbinsel und der Türkei im Westen bis hin zu Japan und Neuseeland im Osten. Und von Russland im Norden bis nach Australien im Süden. Insgesamt 53 Länder mit knapp fünf Milliarden Menschen – und damit nicht weniger als 60 Prozent der Weltbevölkerung.
Das jüngste Schlüsseljahr für den asiatischen Aufschwung identifiziert der Politikwissenschaftler in 2017: Hier hatten sich Vertreter von 68 Ländern aus Europa, Afrika und Asien für den ersten Gipfel der Belt and Road Initiative in Peking zusammengefunden. Ein Infrastruktur-Investitionsplan von China ausgehend, der die großen Ballungszentren verbinden soll. Quasi eine Seidenstraße des 21. Jahrhunderts und ein Mammut-Projekt, das Khanna mit der Gründung der Vereinten Nationen oder dem Marshall-Plan der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg vergleicht.
Damit sei ein weiterer Meilenstein erreicht, die westliche Dominanz der vergangenen Jahrhunderte mit den europäischen Kolonialmächten (im 19. Jahrhundert) und der Supermacht USA (im 20. Jahrhundert) zu beenden und Asien zur Weltmacht aufsteigen zu lassen.
Auch in punkto Menschen- und Arbeitsrechte erreichen die asiatische Länder laut Khanna Fortschritte. „Die Antwort ist heute ermutigender als in den 1970er- und 1980er-Jahren.“ Steigende Investitionen haben zu höheren Löhnen geführt, wie umfangreiche Untersuchungen zeigen. Hier sind aber auch europäische Unternehmen gefragt, mehr in die Schwellenländer Asiens zu investieren, um dabei mitzuwirken, dass sich dort die Menschen- und Arbeitsrechte verbessern.
Umgekehrt kann Europa allerdings auch von Asien lernen, denn schließlich sind es oft asiatische Projekte, die neue Innovationen anstoßen oder diese erstmals in der Praxis realisieren. Wo genau sich Europa zum Beispiel beim Thema Urbanisierung an Asien orientieren kann und welche weiteren Ratschläge Khanna parat hat, lesen Sie im Buch „Weiter. Denken. Ordnen. Gestalten.“.