Startpunkt der Exploration war die Neugierde herauszufinden, was diese wegweisenden Leuchtturmprojekte so vorbildlich macht, die zum Teil von der UNESCO prämiert, oder vom Expertennetzwerk weiterempfohlen worden sind. Und sich dann die entscheidende Frage zu stellen, ob sich diese „Insellösungen“ tatsächlich auf ein allgemeines Bildungssystem für breite Bevölkerungsschichten übertragen lassen.
Fünf Handlungsfelder für die Schule der Zukunft
Zurück in Deutschland haben Klaws und Köhler aus diesem Wissensschatz in der Kombination mit Studien fünf Handlungsfelder für Veränderungen im Bildungssektor erarbeitet. Sie benannten die wichtigen „Stellschrauben“, um tatsächlich nachhaltige Veränderungen bewirken zu können. Diese könnten die nächsten Schüler-Generationen befähigen, für die Herausforderungen einer ungewissen Zukunft vorbereitet zu sein, die zum Beispiel durch die Mega-Trends Globalisierung und Digitalisierung, aber auch eine veränderte Erwerbsgesellschaft geprägt wird.
Das alles erfordert von jungen Menschen die stärkere Ausprägung von Fähigkeiten wie beispielsweise eine schnelle Anpassungsgabe, das kollaborative Lösen von Problemen und kritische Reflexion. „Ein großer Teil der Verantwortung, relevante Fähigkeiten zu fördern und die Menschen zu befähigen mit dem Wandel umzugehen, liegt im Bildungssektor“, stellen Marlen Klaws und Finn Köhler fest – und benennen hierfür fünf konkrete und drängende Handlungsfelder:
1) Innovative Bildung für alle statt Insellösungen: Es gibt zahlreiche Vorreiter und alternative Bildungsansätze, sowie moderne Schulen rund um den Globus: Diese Projekte schaffen neue Lernräume und wenden moderne Methoden, sowie alternative pädagogische Konzepte an. Sie bleiben allerdings häufig Inseln der Innovation und somit Eliten vorbehalten – außerhalb der Blase findet kaum Veränderung statt und ist teilweise auch nicht erwünscht. Synergieeffekte bleiben oft ungenutzt; die Initiativen sind kaum untereinander vernetzt.
2) Eine veränderte Ausbildung der Lehrkräfte und Schulleiter: Das Innovationspotenzial von Schulen hängt oft an dem Engagement Einzelner; das Gelingen von Initiativen an der Unterstützung von Schulleitung, Lehrkörper, Eltern und Schülerschaft. Lehrer benötigen folglich andere Weiterbildungsmöglichkeiten, damit sie ihre pädagogischen Konzepte an wichtige Zukunftsthemen, wie etwa die Digitalisierung, anpassen können. Das könnten nicht nur neu aufgestellte Bildungsmessen oder Workshops sein, sondern auch exemplarische Lernräume, die neues Lernen erfahrbar machen. „Wir sehen einen Ansatzpunkt darin, neue Orte für die Bildung der Zukunft außerhalb des Systems zu schaffen, die einen Wandel des Gesamtsystems inspirieren können“, sagen Klaws und Köhler.
3) Ein verändertes Klassenzimmer: Das Klassenzimmer mit seinen klassischen Tischreihen muss sich zur holistischen Lernlandschaft wandeln. Hierfür reicht es bei weitem nicht aus, die Tafel durch das Smartboard zu ersetzen. Kinder benötigen offene Lernräume, um know-how statt know-what, sowie Fähigkeiten wie Kreativität, Kommunikation und Teamarbeit zu fördern. Sie brauchen Freiräume, Wahlmöglichkeiten und Rückzugsorte.
4) Ein stärkerer Fokus auf neue Fähigkeiten: Neue Herausforderungen bedürfen neuer Fähigkeiten. Es geht darum, die Alleinstellungsmerkmale von Menschen gegenüber Maschinen zu erkennen und auszubauen, um Gestaltungspotential zu behalten. „Ein weiterer systemischer Ansatzpunkt liegt in einem veränderten Curriculum. Menschliche Fähigkeiten wie Kreativität, Sinnstiftung und Empathie sollten verstärkt gefördert und in jede Lernerfahrung eingewoben werden“, sagen die Bildungs(er-)forscher.
5) Ein neuer Ansatz für den Abschluss: Noch immer entscheidet vorrangig der Notendurchschnitt über Studien- und Ausbildungsplatz und damit zu großen Teilen über die Zukunft von Schülerinnen und Schülern. Der zentrale Fokus auf Noten erschafft allerdings ein System des Drucks, Vergleichs- und damit des Konkurrenzkampfes. Im Gegensatz dazu müsste die Lust am kollaborativen Lernen und Arbeiten, sowie die Begeisterung für Themen gefördert werden. Denn das lebenslange Lernen ist in unserer heutigen Gesellschaft bereits eine der wichtigsten Kompetenzen, um sich in der zukünftigen Arbeitswelt und Gesellschaft entfalten zu können. Als Alternative schlagen die Bildungsforscher vor, stärker soziale Fähigkeiten und Umsetzungskraft in Projekten zu testen und ein Portfolio aufzubauen, anstatt standardisiertes Wissen in Tests zu erfassen.
Es bestehen also vielfältige Möglichkeiten, die Zukunft des Lernens neu zu gestalten. Durch eine breit angelegte innovative Bildung, neue Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte, Experimentier- und Erfahrungsräume und Alternativen zum gängigen Benotungssystem werden künftige Generationen noch besser zum Erlernen neuer Fähigkeiten befähigt. So wird das Bildungssystem flexibler. Sprich: Es entstehen Möglichkeiten, die Grundlagen zu schaffen, die unsere Kinder und Kindeskinder für zukünftige Herausforderungen bestens wappnen sollten.
Mit Material von Finn Köhler und Marlen Klaws